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Dienstag, 29. Oktober 2024

Kommentar: Wie ist das eigentlich mit dem Zorn auf den Tourismus?

Der Ärger um den Tourismus auf den Kanaren
 Es wird Mal wieder Zeit, dass ich mich persönlich zu Wort melde. Der Grund: Es wird gerne über Demonstrationen, Anfeindungen von Touristen und die böööösen Ferienwohnungen gesprochen, die den Einheimischen die Wohnräume wegnehmen. Aber ist das wirklich so? Geht es den Menschen besser, wenn der Tourismus zurückgeschraubt wird? 

 Ein ganz klares Nein. Was allerdings richtig ist: Es gibt im Zusammenhang mit dem Tourismus viele Probleme. Nur verstehe ich tatsächlich nicht, auf welche Art und Weise an die Themen herangegangen wird. Dabei braucht man in vielen Bereichen kein Wirtschaftsfachmann sein. 

 Der Tourismus und die Armut 


 Immer wieder waren auf den Demonstrationen Schilder wie “Euer Luxus ist unser Elend” zu lesen. Der Grund für solche Aussagen liegt auf der Hand: Der Mindestlohn ist im Vergleich zum restlichen Europa ein Scherz, Putzfrauen hetzen von Hotel zu Hotel und Wohnraum wird immer teurer. Wenn sich die Touristen dann auch noch wie die Axt im Walde verhalten, respektlos mit der Natur und den Städten umgehen, ist steigende Wut nur allzu verständlich. 

 Obendrein fehlt es auf den Kanaren an Jobs, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Da wird dann schnell versucht, einen Schuldigen zu finden. Und der Tourismus bietet sich da hervorragend an. Doch sind wir mal ehrlich: OHNE den Tourismus würde es den Kanaren deutlich schlechter gehen… Dass viele Politiker diesen Gedanken aber gerne nutzen, um ihr eigenes Versagen zu überspielen und auf den Zug sich gerade anbietenden Zug aufspringen, um an Popularität zu gewinnen, ist ja nun auch nichts Neues. 

 Das Ding mit den Wohnungen 


 Auf den Kanaren stehen hunderttausende Wohnungen und Häuser leer. Der touristisch genutzte Wohnraum macht nur etwa 3 - 4 % der verfügbaren Wohneinheiten aus. Und dennoch soll die private Ferienvermietung die Wurzel allen Übels sein? Wer soll das denn glauben? 

 Die Probleme liegen eher woanders: Das spanische Mietrecht muss zum Beispiel endlich mal komplett überarbeitet werden. Stellt Euch vor, Ihr seid ein Vermieter. Und dann habt Ihr plötzlich Ocupas (Hausbesetzer) oder Mietnomaden in Eurem Eigentum. Das wäre natürlich an sich schon schlimm genug. 

 Aber das ist noch nicht alles: Nach spanischen Recht könnt Ihr erstmal rein gar nichts machen. Ihr müsst brav Wasser und Strom bereitstellen, dürft nix abdrehen und es wird sehr langwierig und teuer, um die ungebetenen Gäste wieder los zu werden. Obendrein gibt es seit ein paar Jahren ein Gesetz, dass Ferienwohnungen und Ferienhäuser nicht in touristischen Zonen sein sollen. 

 Dort gibt es zwar viele und die Gemeinden haben hier auch eigene Entscheidungsgewalt, aber man muss auch kein Hellseher sein, um zu erraten, wer diese Konkurrenz plötzlich aus den touristischen Zonen drängen will. Ergebnis: Diese werden in den Wohnraum der Canarios gedrückt. Klar sind die nicht begeistert. 

 Beispiel: Im Orotavatal war die Autobahn früher sowas wie eine Mietgrenze. Wohnraum in Puerto de la Cruz war teuer, oberhalb der Autobahn eben nicht. Das hat sich komplett geändert, denn die Canarios haben gelernt: “Tourismus bringt Geld, hat weniger Scherereien mit den Mietern, also machen wir das.” 

 Das Ding mit den Jobs 


 Auch hier bietet der Tourismus eigentlich viele Chancen. Eines der Hauptprobleme hier ist meiner Meinung nach das All-inclusive-Programm. Ich lebe selbst von den Urlaubern und ja: Ich biete an, was der Urlauber wünscht. Allerdings wäre in meinen Augen ein Verbot der Komplettpakete sinnvoll, denn dieses macht nur Eines: Es hält den Gast im Hotel. Warum sollte er auch raus gehen, wenn Getränke den ganzen Urlaub gratis sind? 

 Die Leidtragenden sind hier zum Beispiel die Gastronomen. Natürlich gibt es noch immer reichlich Gastronomie auf der Insel. Aber wenn man wie ich seit fast 20 Jahren hier lebt, dann hat man auch das Sterben vieler kleiner Läden, Bars, Restaurants und Cafés miterlebt. Darunter war auch der Vater eines Freundes, der sein Restaurant an der Playa Jardín nicht mehr am Leben erhalten konnte. 

 Zusätzlich dazu bieten die private Ferienvermietung viele Jobs. Laut des Vereins ASCAV, der sich für die Ferienvermietung einsetzt, leben auf den Kanaren etwa 50.000 Familien von diesem Tourismusmodell. Was würde mit diesen Familien passieren, wenn da ein Riegel vorgeschoben wird. Sollen die alle auf Bananenplantagen arbeiten? Was ist mit Verwaltern, Putzkräften und Agenturen in diesem Bereich? Bekommen die dann alle staatliche Hilfe? 

 Regulierung des Tourismus 


 Ja, es ist richtig, dass es durch den Tourismus in seiner jetzigen Form einige Probleme gibt. Allerdings fehlt es bisher an guten, sinnvollen Ansätzen. Fakt ist auch, dass das Geld aus dem Massentourismus der Hotels NICHT auf der Insel bleibt. Aber das ist kaum verständlich, denn LIDL zum Beispiel musste sich verpflichten, einen großen Teil der Ware mit kanarischen Produkten zu füllen, um die Preise für die Landwirtschaft und andere Lebensmittel nicht zu zerstören. Warum geht das nicht bei den Hotels? 

 Obendrein das Mietrecht vermieterfreundlicher gestalten, die private Ferienvermietung auf touristische Zonen konzentrieren und Mietendeckel für die normale Vermietung außerhalb festlegen…, dann wäre schon viel gewonnen. 

 Eure Meinungen dazu interessieren mich sehr und Ihr könnt sie gerne in die Kommentare posten. Diskutiert dabei aber bitte sachlich. 

 Andi Westphal

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