Entsalzungsanlagen spielen für die Kanarischen Inseln eine Schlüsselrolle, da ihre natürliche Wasserverfügbarkeit eingeschränkt ist und die Niederschläge in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen sind. Die technologische Entwicklung und die hohe Anzahl an Entsalzungsanlagen (rund 300) verdeutlichen den bedeutenden Beitrag dieser Anlagen zur Wasserversorgung. Doch hinter dieser Infrastruktur verbergen sich komplexe Herausforderungen und Umweltauswirkungen, die oft übersehen werden. Dieser tiefere Einblick beleuchtet die operative Infrastruktur der Anlagen, technologische Entwicklungen, spezifische Umweltprobleme und regulatorische Aspekte.
Struktur und Betrieb der Entsalzungsanlagen auf den Kanaren
Die meisten der kanarischen Entsalzungsanlagen nutzen das Verfahren der Umkehrosmose. Dieses Verfahren zwingt salziges Meerwasser durch Membranen, die nur Wasser durchlassen und Salze zurückhalten. Der Prozess erfordert viel Energie und erzeugt als Nebenprodukt Salzwasser, die sogenannte Sole, die in die Umgebung abgeleitet wird. Größere Anlagen, wie etwa in Puerto del Rosario auf Fuerteventura und Guía de Isora auf Teneriffa, produzieren bis zu 30.000 Kubikmeter Wasser täglich und sind entscheidend für die Versorgung von Haushalten und dem Landwirtschaftssektor.
Neue Entwicklungen in der Kanaren-Region zielen auf Energieeinsparungen und eine Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks. Ein innovatives Beispiel ist die DESALRO 2.0-Anlage in Pozo Izquierdo, die als eine der energieeffizientesten Entsalzungsanlagen der Welt gilt. Durch ihren modularen Aufbau in Containerform ist sie portabel und flexibel, was die Inbetriebnahme an verschiedenen Standorten erleichtert. Sie verwendet weniger als 2 kWh Energie pro Kubikmeter Wasser, was deutlich unter dem üblichen Verbrauch von etwa 3 bis 4 kWh liegt und erhebliche Betriebskosten spart.
Umweltproblematik: Sole und chemische Rückstände
Ein zentrales Umweltproblem der Entsalzungsanlagen auf den Kanaren ist die Sole, die bei der Umkehrosmose entsteht und ins Meer abgeleitet wird. Diese Sole hat einen deutlich höheren Salzgehalt als das umliegende Meerwasser und kann das marine Ökosystem massiv beeinflussen. Die hohe Salzkonzentration in der abgeleiteten Sole bewirkt, dass diese auf den Meeresboden sinkt und benthische (bodenbewohnende) Lebensgemeinschaften stark belastet. Einige Organismen können sich an diese Veränderungen anpassen, während andere sehr empfindlich auf die Salzkonzentration reagieren und ihre Populationen daher in betroffenen Gebieten zurückgehen.
Zusätzlich zu den hohen Salzkonzentrationen enthält die Sole verschiedene chemische Zusatzstoffe. Besonders problematisch sind die im Entsalzungsprozess verwendeten Anti-Krustenschutzmittel wie Hexametaphosphat, das Phosphate freisetzt und das Algenwachstum fördert. Dieser Überschuss an Nährstoffen kann zur Eutrophierung führen, also einem unnatürlichen Wachstum von Algen, das Sauerstoff im Wasser verbraucht und dadurch das Gleichgewicht des Ökosystems bedroht. Ohne eine sorgfältige Verdünnung und Neutralisierung der Sole könnte dieser Prozess langfristige Schäden für die empfindlichen Küstenökosysteme der Kanaren verursachen.
Darüber hinaus wird in regelmäßigen Abständen eine chemische Reinigung der Membranen notwendig, um deren Effizienz aufrechtzuerhalten. Diese Reinigung erfolgt mit Chemikalien wie Natriumhydroxid, Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) und Säuren, die potenziell umweltschädlich sein können. Eine adäquate Behandlung dieser Abwässer ist oft komplex und kostenintensiv, was zur Herausforderung wird, wenn die Überwachung und Einhaltung der Umweltstandards nicht ausreichend gewährleistet ist.
Innovationen zur Schadensbegrenzung: DESALIFE und erneuerbare Energien
Als Antwort auf diese Herausforderungen arbeiten die Kanarischen Inseln an einer verstärkten Integration erneuerbarer Energien und an Projekten zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit. DESALIFE ist ein solches Projekt, das auf Gran Canaria gestartet wurde und darauf abzielt, die Entsalzung mit Energie aus Solar- und Windkraft zu kombinieren. Dieses Projekt verfolgt das Ziel, den Energieverbrauch um bis zu 40 % zu senken und damit den CO₂-Ausstoß und die Betriebskosten der Entsalzungsanlagen erheblich zu verringern. Durch solche Projekte hofft man, die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen zu mindern, die typischerweise mit der Entsalzung verbunden sind.
Regulatorische Lücken und die Notwendigkeit einer spezifischen Gesetzgebung
Die Umweltbelastungen der Entsalzung, insbesondere durch Sole und chemische Rückstände, werden in Spanien zwar überwacht, jedoch fehlt es an spezifischen gesetzlichen Vorgaben für die Abwasserentsorgung von Entsalzungsanlagen. So gibt es keine festgelegten Grenzwerte für chemische und physikalische Eigenschaften der Sole, was bedeutet, dass Standards für Verdünnung und Neutralisation oft fehlen oder unterschiedlich umgesetzt werden. Dies stellt die Verwaltung und Kontrolle der Anlagen vor erhebliche Herausforderungen. Da das Meer ein dynamisches Ökosystem ist, erfordert das Überwachen und Einhalten von Abwasserstandards konstante und umfangreiche Untersuchungen, die sowohl kostspielig als auch schwer durchzuführen sind.
Langfristige Perspektiven und Schlussfolgerungen
Die hohe Abhängigkeit der Kanarischen Inseln von Entsalzungsanlagen wird sich voraussichtlich in den kommenden Jahren noch verstärken. Die geplanten Kapazitätserweiterungen und technologischen Verbesserungen in den bestehenden Anlagen stellen einen wichtigen Schritt zur Sicherstellung der Wasserversorgung dar. Dabei wird auch die Bedeutung von Nachhaltigkeit stärker betont, indem etwa die DESALRO 2.0-Anlage als Modell für effiziente und umweltfreundlichere Entsalzungsanlagen dient.
Um die langfristigen Umweltfolgen zu minimieren, ist es notwendig, dass lokale und nationale Behörden eng zusammenarbeiten, um spezifische Gesetze und Umweltstandards für Entsalzungsanlagen zu entwickeln. Dazu gehören regelmäßige Umweltverträglichkeitsprüfungen und der Einsatz innovativer Technologien zur Verdünnung und Neutralisierung der Sole. Nur durch eine konsequente Umstellung auf nachhaltige Praktiken und eine strenge Regulierung kann die Balance zwischen Wasserversorgung und Umweltschutz auf den Kanaren langfristig gewährleistet werden.
Tipp:
Die von ARTE produzierte Dokumentation "Die Kanaren - Inseln am Tropf" geben einen sehr guten Einblick in die Geschichte des Süßwassers auf den Kanarischen Inseln.
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Die von ARTE produzierte Dokumentation "Die Kanaren - Inseln am Tropf" geben einen sehr guten Einblick in die Geschichte des Süßwassers auf den Kanarischen Inseln.
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